SP-X/Köln. Von der braven Familienkutsche bis zum wilden Rallye-Reiter, vom biederen Allerweltsauto bis zum erfolgreichen Weltauto, mit dieser Verwandlungsfähigkeit schrieb der Escort schon in seinen ersten beiden Generationen Geschichte wie kein anderer Ford. In England war der kompakte und technisch konservative Millionseller deshalb von Beginn an Kult, auf dem Kontinent avancierte der Escort aber erst in der 1980 eingeführten dritten Generation zu einem Kracher, der mit dem Klassenprimus VW Golf tanzte und technischen Anschluss an den Erzrivalen Opel Kadett fand.
Dazu spendierte Ford seinem Massenmodell vor 40 Jahren endlich moderne Quermotoren, Vorderradantrieb und Heckklappe, jene damals längst unabdingbaren Erfolgsvoraussetzungen in der Kompaktklasse. Damit machte der gut vier Meter kurze Escort MK III auch im Land der Straßenkreuzer Karriere und in Deutschland beschleunigte der Kompakte die Kölner Werke auf zeitweise 17,2 Prozent Marktanteil. Sogar gegenüber dem Golf verschaffte sich dieser Ford Vorsprung: Mit weltweit 820.00 Einheiten im ersten vollen Verkaufsjahr besetzte der Escort die Pole Position des global meistproduzierten Autos vor VW Golf und Toyota Corolla. Grund zum Staunen bot der Bestseller aber auch als populäres Promi-Fahrzeug. Damit meinen wir nicht nur das Cabriolet BB „Boris Becker", mit dem der deutsche Tennisstar die inzwischen altgediente dritte Escort-Generation 1989 in ihr zehntes und letztes Modelljahr schickte. Die Titelseiten der Boulevardpresse füllte der Ford vor allem als Rechtslenker royaler Provenienz - als favorisiertes Fahrzeug von Lady Diana Spencer.
Mit einem frühen Escort MK III fuhr Diana zu Rendezvous mit dem britischen Thronfolger Prinz Charles, mit einem eleganten Escort Cabriolet parkte die Prinzessin vor den Polo Clubs, mit einer personalisierten Version des furiosen Racers Escort RS Turbo S1 fuhr die junge Mutter ihre Söhne, die Prinzen William und Harry, durch die Straßen von London und mit einem Escort entzog sie sich laut Medienberichten mehrfach den Blicken allzu neugieriger Beobachter oder Bewacher. Diana liebte schicke und schnelle Autos, wie auch das von ihr genutzte Audi Cabriolet und ein Mercedes SL zeigten, aber der Escort MK III spielte für sie die Hauptrolle. Tatsächlich mag dazu beigetragen haben, dass der Escort als meistverkauftes Auto in Großbritannien eine ganze Generation durch das Autofahrerleben begleitete, ähnlich wie der VW Golf in good old Germany. Hinzu kamen jedoch zwei ganz spezielle Escort, die zu einem Erkennungszeichen der Prinzessin von Wales wurden: Der erwähnte RS Turbo in exklusiver schwarzer Lackierung statt des sonst obligatorischen „Diamond White“ – und ein edel ausgestatteter Escort Ghia, der ein Verlobungsgeschenk von Prinz Charles an seine Braut war.
Dieser Fünftürer gelangte später auf den Gebrauchtwagenmarkt, wo ihn ein Brite für ein paar Hundert Pfund erwarb. Um den Ford im Jahr nach Dianas tragischem Tod per Auktion weiter zu veräußern. Mehr als eine Million Dollar bot nun ein Spielcasino aus Las Vegas – ohne den Zuschlag zu erhalten. Bestand doch der britische Verkäufer auf einer stilvollen Präsentation des royalen Escort im Ambiente eines Museums.
Zurück zu den Ursprüngen des sonst durch und durch bürgerlichen Escort MK III. Schon Mitte 1975 und damit sofort nach dem Launch des Escort MK II begann die Entwicklung des vorläufig „Erica“ genannten Ford-Weltautos für die 1980er Jahre. Die amerikanische Ford-Konzernzentrale wollte den Kompakten vollkommen umkrempeln und investierte den Rekordbetrag von umgerechnet 2,5 Milliarden Euro in den Neuen, der auch in den USA reüssieren sollte. Dort hatte die erste Ölkrise einen kurzzeitigen Downsizing-Trend bewirkt. „Erica“ erhielt deshalb nicht nur modernen Frontantrieb samt Hatchback, sondern auch ein fast konkurrenzlos großes Motorenprogramm, für Europa mit Leistungswerten zwischen bescheidenen 37 kW/50 PS und 97 kW/132 PS, inklusive des ersten kleinen Ford-Diesels.
Maßstäbe setzte zudem das fast verwirrend vielfältige Karosserieportfolio aus drei- und fünftürigen Hatchbacks mit klassengrößten Kofferraum, drei- und fünftürigem Kombi „Turnier“, den flügelbewehrten Leistungsträgern XR3, RS Turbo und RS 1600i (als Basis für die Motorsport-Gruppe A) sowie einem bei Karmann produzierten Cabriolet als Lustspender. Dieses Cabriolet mit feststehendem Überrollbügel war 1981 eines der ersten Wunsch-Projekte des neuen europäischen Ford-Designchefs Patrick Le Quément. Dagegen gab es 1982 in Nordamerika das 2+2-sitzige Sportcoupé Ford EXP, abgeleitet vom US-Escort. Tatsächlich bestanden ernsthafte Pläne diesen am Ende erfolglosen Hatchback-Sportler als Nachfolger des Ford Capri entweder im englischen Halewood oder im deutschen Saarlouis zu produzieren. Pläne, die aber angesichts des allgemein schrumpfenden Sportcoupé-Marktes scheiterten. Deutlich besser lief es ab 1983 für den viertürigen Orion, denn dieser Escort in Form einer klassischen Stufenhecklimousine gewann nicht wenige konservative Käufer, die den damaligen Wechsel von Ford Taunus/Cortina auf die Aerolimousine Sierra nicht mitmachten.
Zur Orion-Kundschaft zählte übrigens auch Prinzessin Margaret, die jüngere Schwester von Königin Elisabeth II. Sogar in die DDR sollte eigentlich ein Kontingent von 10.000 Orion aus Saarlouis geliefert werden, ein Deal, mit dem Staatsführer Erich Honecker das Fahrzeugangebot in der DDR diversifizieren wollte, so wie auch mit Mazda 323, Citroen BX oder VW Golf. Auch die Fraktion der Lieferdienste vergaß Ford nicht, denn als Lastesel fungierte der überraschend viel gefragte Transporter Express 35/55 mit gefälligem kombi-ähnlichem Kastenaufbau. Aus Südafrika fanden zudem einige Pick-ups auf europäische Rechtslenker-Märkte.
Mit dieser Vielfalt fand Ford seinen Weg durch die in den 1980ern heftig umkämpfte Kompaktklasse, in der nun auch alle Japaner und sogar die Schweden (Volvo 300/400) ein gewichtiges Wort mitredeten. Dass Ford (USA) 1983 nach tief roten Zahlen wieder stattlichen Gewinn machte, führte das Unternehmen nicht zuletzt auf sein meistverkauftes Modell zurück: die US-Version des sonst weitgehend in Deutschland entwickelten Escort. Trotz dieser Erfolge gab es für Ford nicht nur Grund zur Freude, denn die ausgesprochen harte Fahrwerksabstimmung des Escort erntete in der Fachpresse und bei vielen Kunden heftige Kritik.
Ein gründlich modifiziertes Fahrwerk gab es erst Anfang 1986 anlässlich eines Facelifts für den Erfolgstyp. Ein komplett neues Auto wäre wahrscheinlich zu teuer gekommen, weil Ford Europa gerade wieder Verlust gemacht hatte. Immerhin, Sicherheitsinnovationen wie das in der Kompaktklasse neue ABS-Bremssystem und die damals angesagten großflächigen Kunststoffstoßfänger hielten den Escort bis 1990 frisch und in den südamerikanischen Fertigungsstätten sogar noch länger. Wie gelungen der dritte Escort war, zeigte am deutlichsten der Ende 1990 eingeführte Nachfolger, dessen Absatzzahlen anfangs weit hinter den Hoffnungen blieben.