SP-X/Köln. Für die einen ist er heute schlicht ein Boxer-Bulli in Bestform. Dagegen gilt er für andere als letzter echter Bulli, auch wenn der 1979 vorgestellte Volkswagen Transporter T3 bereits auf die käferbasierte Konstruktion seiner beiden Vorgängergenerationen verzichtete. Dafür vertraute das weltweit populärste Nutzfahrzeug seiner Klasse noch einmal auf Boxermotoren im Heck und ein kantiges, aber weiter unverwechselbares Design. Den luftgekühlten VW Bus, nun in deutlich größerer Kastenform, kannte damals jeder – auch am unverwechselbaren Sound und sogar als neue wassergekühlte Boxer den behäbigen und immer durstigen Bulli beinahe auf die Vmax eines Golf beschleunigten. Nur die im Transportersegment noch revolutionären rauen Dieselmotoren erforderten Gewöhnung, dabei waren diese Selbstzünder lediglich die Vorhut einer ganzen Flotte frecher Wild Boys für den VW T3.
So versprachen die Syncro-Busse Allradantrieb für Abenteuer in Geländewagen-Territorien und das sogar mit hoch gelegter Luftansaugung oder als spektakuläre Doppelkabine Tristar. Neben noblen Nadelstreifenträgern wie dem VW Carat gab es den ersten Multivan als Familien- und Büromobil und den California als Vorreiter einer neuen Reisemobil-Welle. Als 2002 in Südafrika der letzte T3 vom Band rollte, genoss dieser Boxer-Bus in Europa längst Kultstatus. Wie die Vorgänger-Bulli übrigens sogar bei Autodieben.
Der schnatternde Klang des Boxermotors in den ersten drei Bulli-Serien gehörte im Straßenbild zur Nachkriegszeit wie das Wirtschaftswunder, die neu entdeckte Lust auf Reisen in ferne Länder, die Flower-Power-Bewegung oder die frühen Friedens- und Umweltaktivisten. Der nutzwertige VW begleitete rund um den Globus Generationen durchs Leben, eigentlich genau so wie alle anderen Vielzweckmobile á la Ford Transit, Fiat 900, Citroen H-Serie oder Chevrolet Van. Aber nur der VW war wirklich auf allen Kontinenten präsent und nur seine genial einfache und zugleich robuste Konstruktion eignete sich für die Montageproduktion in fast allen Ländern. Nicht zu vergessen die Käfer-Verwandtschaft, die dem Kastenwagen aus Hannover Kultstatus sicherte. Damit überstrahlte der Bulli auch in den 1970ern modernere Konkurrenten, weshalb Volkswagen seinen Van nur vorsichtig in die Zukunft führte.
Verblüfft reagierte deshalb allein die Fachwelt, die nach der 1973 gestarteten Konzernerneuerung durch VW-Typen wie Passat, Golf oder Polo und dem Aus der deutschen Käfer-Fertigung mit einem T3 in zeitgemäßem Frontmotor-Frontantriebs-Layout rechnete. Stattdessen lancierte VW im Sommer vor 40 Jahren einen neu entwickelten Transporter mit anachronistisch anmutendem luftgekühltem Boxer im Heck. Dort allerdings waren die 1,6- und 2,0-Liter-Vierzylinder rekordverdächtig flach eingebaut. So konnten die kleine Heckklappe des VW Transporters und auch das Ladevolumen deutlich an Format gewinnen, obwohl der T3 äußerlich mit 4,57 Meter Länge immer noch knuffig-kompakter ausfiel als viele moderne Frontmotor-Transporter. Mit 5.700 Liter Stauraum in der Standardkonfiguration setzte der neue niedersächsische Kastenwagen sogar Maßstäbe. Andererseits musste der T3 seiner Rolle als sechs- bis neunsitzigen Großraum-Limousinen gerecht werden und dafür spendierte ihm Volkswagen Einzelradaufhängung und Schraubenfedern.
Allein die Fahrleistungen differenzierten den T3 von konventionellen Familienkutschen, flog der luftgekühlten 37 kW/50 PS-Kraftquelle doch sogar Citroens Ente 2CV 6 davon. Noch betulicher, aber dafür wenigstens effizient mit dem Kraftstoff ging der aus dem Golf stammende Diesel ab 1981 im T3 zu Werke: 103 km/h Vmax sprachen für sich. Immerhin: Ein Jahr später waren für den Bulli wassergekühlte und leistungsstärkere bis 2,1 Liter große Boxer-Benziner verfügbar und ab 1984 garantierte ein Turbo-Diesel ausreichende Agilität. Unabhängig vom gewählten Antrieb bekam der T3 von der Fachpresse ein „Top-Fahrwerk mit deutlicher geringerer Seitenwindempfindlichkeit“ bescheinigt und das gleichermaßen für Kasten, Kombi, Bus, Pritsche und Doppelkabine und fast alle anderen Varianten. Tatsächlich war es auch diese Artenvielfalt, die den Bulli in der alten Bundesrepublik vor der Wiedervereinigung schwer in Mode brachte.
Kanzler Helmut Kohl konstatierte in den 1980ern resigniert eine Freizeitgesellschaft - und VW bediente den Trend mit einem Fächer neuartiger Bullis. Allen voran der bei Steyr Puch in Graz in rund 43.500 Einheiten gebaute Syncro fürs Allradabenteuer, der sich 1985 einen Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde sicherte durch eine Weltumrundung in nur 51 Tagen. Dann das ungleiche Duo aus billigem VW California und edel ausstaffiertem Atlantic, das die ganze Reisemobilbranche in Bewegung brachte. Schließlich Multivan und Caravelle mit immer neuen Sonderserien wie Coach, Carat und Magnum: Als 1989 die Mauer zwischen BRD und DDR fiel, machten die Pkw-Versionen schon rund ein Drittel der Bulli- Zulassungen aus. Und wem die Leistung des maximal 82 kW/112 PS freisetzenden Vierzylinders nicht reichte, konnte seinen Caravelle bei VW-Haustuner Oettinger zum Oberklasse-Van aufrüsten mit 132 kW/180 PS starkem 3,7-Liter-Sechszylinder – natürlich in Boxer-Bauweise.
Fünfzylinder gab es übrigens auch: Die Südafrikaner liebten den dort gebauten T3 als drehmomentstarken Fünf-Ender (2,3- bis 2,6-Liter Hubraum) so sehr, dass die wegen ihrer großzügigen Verglasung liebevoll „Big Windows“ genannten VW Microbus bis 2002 vertrieben wurden. Und damit zehn Jahre länger als der europäische T3.
Das Kerngeschäft machten aber die Nutzfahrzeugvarianten des T3 aus. „Nur bedingt einsatzbereit“, meldeten Anfang der 1980er Schlagzeilen über den Ausrüstungsstand der Bundeswehr. Am Bulli wurde jedoch nicht gespart, denn der T3 verrichtete in vielen Versionen seinen Dienst beim Bund. Obwohl Immobilienmarkt und Baugewerbe in jener Dekade neureicher Yuppies und Börsenspekulanten eine jahrelange Baisse erlebte, boomte der VW Transporter in konkurrenzlos vielen Spezifikationen, vom „nackten“ Kasten für kleines Geld bis zur geräumigen Doka als Kipper oder mit maßgefertigten Aufbauten für Spezialtransporte. Auch 1990, dem Jahr der deutschen Wiedervereinigung, kam dem T3 eine besondere Rolle zu. Zählte er doch zu den Favoriten der fliegenden Händler aus den alten Bundesländern, die direkt vom T3 aus an DDR-Bürger die damals noch begehrte Westware verkauften.
Zugleich zeigten sich damals Schatten an der Wand für die Fans des klassischen Bulli-Konzepts. Der Nachfolger T4 startete Anfang 1990 und führte den VW Transporter in die Zukunft als Kurzhauber mit konventionellem Frontmotor, Frontantrieb und vielen weiteren technischen Innovationen. Dennoch blieb der T3 für Traditionalisten noch zwei Jahre parallel im VW-Programm, nun aus allein aus österreichischer Produktion. Für die finale T3-Sonderserie Limited Last Edition mit Urkunde und Autogramm des damaligen VW-Chefs Carl Hahn zahlten manche Fans sogar Aufpreise. Vergleichbares würde dem heutigen VW-Boss bestimmt ebenfalls gefallen.