40 Jahre Renault Fuego
08.04.2020 - Wolfram Nickel/SP-X
Renault konnte schon immer mehr als brav-bürgerliche Massenmodelle. So starteten die Franzosen mit einem futuristisch angehauchten Sportcoupé furios in die 1980er Jahre. Fuego, auf Deutsch „Feuer“, hieß der temperamentvolle Franzose, der damals Geschichte schrieb: als windschnittigster und vielerorts erfolgreichster seiner ArtSP-X/Köln. Für alle, die keine Erlkönigfotos studierten, kam der Franzose mit dem spanischen Namen für Feuer fast so überraschend wie ein Vulkanausbruch: Im Frühjahr 1980 feierte der Renault Fuego Premiere auf dem Genfer Automobilsalon und nur wenig später stand er als sportlicher Star in den Schauräumen der deutschen Renault-Händler. Fuego? Heute fast vergessen, vollbrachte dieser heißblütige Volkssportler vor 40 Jahren, was die betagten Urmeter unter den Familiencoupés, also Ford Capri und Opel Manta, nicht mehr vermochten: adrenalinhaltige Emotionen freisetzen für atemberaubende Verkaufszahlen.
Klar, in den Club der Produktionsmillionäre konnte der gallische Dynamiker nicht mehr einziehen, denn längst erfuhren die flotten Coupés Konkurrenz durch andere kompakte Kraftsportler à la GTI, GSI oder sogar BMW 3er, so wie sie die markenbewussten Yuppies der postmodernen 1980er goutierten. Aber ganz vorn in den Sportcoupé-Verkaufscharts mehrerer europäischer Länder platzierte sich der bis zu 200 km/h schnelle Porsche-924-Herausforderer aus Paris trotzdem. Tatsächlich weckte der Fuego nicht nur durch die große Glaskuppel-Heckklappe, sondern auch durch turbostarke Fahrleistungen Assoziationen zum Vierzylinder-Porsche. Wer wollte, konnte mit dem Renault Coupé sogar sportlich sparen, vertraute der Fuego doch als erster Sportler auf Diesel-Power. 65 kW/88 PS trieben den im Windkanal auf den damals sensationellen Wert von cW 0,34 getrimmten Selbstzünder auf 180 km/h, das genügte für den Titel „schnellster Seriendiesel der Welt“.
Schicke Sportcoupés waren über viele Jahrzehnte eine gefragte Spezialität von Renault. War es ab 1959 das verführerisch schöne Duo aus Renault Floride/Caravelle, auf dem sich sogar die Filmdiva Brigitte Bardot werbend räkelte, folgten 1971 die extravagant gezeichneten Mittelklasse-Coupés Renault 15/17 mit der Technik des Weltautos Renault 12. So war es nur konsequent als die Franzosen auch die Bodengruppe und Technik des 1978 eingeführten Renault 18, der den R12 beerbte, mit einer spektakulär konturierten Coupé-Karosserie einkleideten. Der neue Zweitürer erhielt eine als hochexplosives „Aerodynamite“ beworbene Stromlinienform, die sich klar von kantigen Familiensportlern der 1980er wie Audi Coupé oder Toyota Celica differenzierte. Dazu kennzeichneten den Fuego die seit dem Renault 5 fast schon markentypischen Kunststoff-Stoßfänger und ein die Keillinie betonender mattschwarzer Kunststoff-Gürtel bis zur gewaltigen Glas-Heckklappe. Vor allem der vollständige Verzicht auf Chrom-Ornamente wurde stilprägend für das neue Design-Jahrzehnt. Gestaltet hatte die von Fachleuten hochgelobten Fuego-Formen Michel Jardin, der unter dem neu berufenen Renault-Designchef Robert Opron arbeitete. Opron? Ja, das ist der bis 1975 bei Citroen waltende Kultdesigner, der Kreateur von Avantgardisten wie Citroen SM, GS und CX.
Einen Hauch Futurismus zeigte der Fuego zudem durch originelle Räder im Techno-Look, die im Straßenalltag stets asynchron ausgerichtet waren. Ein Element, mit dem wenig später auch der Renault 18 Turbo spielte, denn das Doppel 18/Fuego machte den leistungsstarken Turbo-Benziner in Frankreich massentauglich. So weit war es aber 1980 noch nicht. Zunächst einmal sollte der Fuego als verführerische Delikatesse Renault wieder begehrenswert machen, so wie einst der Capri Ford abheben ließ. Die großen Renault-Erfolge der innovationsfreudigen 1960er und frühen 1970er mit Ikonen wie R4, R5, R16 und dem Weltauto R12 hatten sich durch kuriose Typen wie den birnenförmigen R14 oder den biederen R18 nicht duplizieren lassen und so stagnierten die globalen Verkaufszahlen der Franzosen. Tatsächlich schmolzen die Renault-Verkaufszahlen durch die schlechte Konjunktur auch in Deutschland dahin.
Andererseits waren die frühen 1980er Jahre auch die Zeit des Aufbruchs, verkörpert durch die Songs der Neuen Deutschen Welle, grüner Parteigründungen und einer „Ich-will-Spaß-ich-geb-Gas-Gesellschaft“. Deshalb setzte sich Renault stramme Ziele: 14.000 Fuego wollten die Franzosen jährlich in der Bundesrepublik verkaufen. So viele wurden es zwar nie, aber es genügte, den Ford Capri zu überholen und Opel Manta sowie VW Scirocco zu jagen. Der Fuego zündete ein Feuerwerk, das unter den etablierten Konkurrenten kurzzeitig Angst und Schrecken verbreitete – auf mehreren traditionellen Sportwagenmärkten wie Großbritannien deklassierte der rassige Renault sogar sämtliche Rivalen. In Australien reüssierte der Gallier gegen einige japanische Dynamiker und in Südamerika galt der Fuego als aufregendster Hingucker der Sportcoupé-Szene. Dazu trugen auch Rennversionen mit bis zu 176 kW/240 PS starkem 2,0-Liter-Saugmotor für die „TC 2000”-Tourenwagenserie in Argentinien bei. Tatsächlich verdankte der Franzose seine ungewöhnlich lange Karriere von zwölf Jahren den Südamerikanern, denn in Europa erlosch die Liebe der Fuego-Fans ähnlich schnell wie vulkanische Lava erstarrt.
Vielleicht waren die Formen des Fuego doch zu verwegen für eine langanhaltende Erfolgsstory, jedenfalls endete der Vertrieb in Europa 1986 – und in Nordamerika, wo der Renault über das AMC-(Jeep)-Vertriebsnetz verteilt wurde, kam der Verkauf nie richtig in Fahrt. Dabei hatte doch Karossier Heuliez sogar eine schicke Open-Air-Studie ganz nach dem Geschmack des damals größten Cabrioletmarktes entwickelt. Es nützte nichts, der Fuego hatte in den USA keine Chance, vor allem gegen den Ansturm sportiver Asiaten, und so blieb das Cabrio ein Concept.
Mit dem Namen Fuego beendete Renault übrigens nicht nur die Herrschaft seiner nüchternen Zifferncodes R4 bis R30, sondern weckte auch Urlaubsgefühle. Spanien zählte damals seit kurzem zu den Top-Urlaubsdestination für Deutsche, Briten und sogar Franzosen – und dieses Freizeit-Feeling füllte zusätzlich die Schauräume der Renault-Händler. Als der Fuego-Hype 1982 abkühlte, legte Renault nach. Turbo lautete das neue Zauberwort, das Renault in der Formel 1 zu einer Macht machte, und dann den auf 97 kW/132 PS erstarkten Fuego in die Fraktion der Linke-Spur-Jäger auf deutschen Autobahnen integrieren sollte. Es war der Mix aus Leichtbau – der Fuego brachte nur rund eine Tonne auf die Waage – und Aerodynamik, der das Franzosen-Coupé zu Fahrleistungen beflügelte, für die etwa ein Mercedes 280 E Coupé immerhin 136 kW/185 PS aufbringen musste.
Für andere Länder gab es das Franzosen-Coupé auch als kühnen Turbo-Diesel. Eine vernehmlich nagelnde, aber agile und vor allem effiziente Antriebs-Delikatesse, die sogar den bekannt schnellen Citroen CX und Mercedes 300 Turbo-Diesel in Sachen Temperament kaum eine Chance ließ. Allein die Verkaufszahlen des Fuego konnten die Turbos nicht nachhaltig aufladen. Das Feuer war ausgeglüht und die Renault Coupés endeten nach dem europäischen Verkaufsstopp im Jahr 1986 irgendwann fast alle bei Altfahrzeug-Verwertern. So ist der Fuego heute rarer als viele Ferrari und das Publikum feiert den Franzosen bei Oldtimershows mit begeistertem Beifall.
Chronik:
1971: Das Duo aus Renault 15/17 startet in sportiver Coupé-Form, die Technik liefert der Mittelklasse-Typ Renault 12
1976: Erste Entwürfe für ein neues Renault-Sportcoupé mit Heckklappe, das gegen VW Scirocco, Ford Capri und Opel Manta CC positioniert werden soll. Das Exterieurdesign des Renault Fuego – dieser Name wird schon früh in der Entwicklungsgeschichte verwendet - wird von Michel Jardin gestaltet unter dem neuen Renault-Designchef Robert Opron, der von Citroen zu Renault wechselte. Opron gestaltete zuvor ikonische Citroen-Modelle wie CX, GS und SM
1978: Der französische Ingenieur Paul Lipschutz entwickelt ein funkfernbedientes Türverriegelungssystem, das bei Renault zum Modelljahr 1980 in den Typen Renault 20 und 30 und wenige Monate später im Coupé Fuego eingeführt wird
1979: Letzte Erprobungsfahrten mit dem Renault Fuego, der die Technik des 1978 eingeführten Mittelklasse-Modells Renault 18 nutzt und dazu eine frisch konstruierte Vorderradaufhängung, inspiriert durch die Flaggschiff-Typen Renault 20/30
1980: Das Sportcoupé Renault Fuego feiert im März auf dem Genfer Automobilsalon Weltpremiere und debütiert wenig später in den Schauräumen der deutschen Renault- Händler als Nachfolger der Modelle Renault 15/17. Als erstes neues Renault-Modell seit dem Coupé Caravelle setzt der Renault Fuego nicht auf einen Typencode, sondern einen Modellnamen. Zunächst sind die Ausstattungsvarianten TL und GTL im Angebot, dies mit 1,4-Liter-Verzylinder-Motor und 64 PS Leistung. In Deutschland werden nur 1,65-Liter-Vierzylinder mit 96 PS (Ausstattungen TS und GTS) sowie 2,0-Liter-Vierzylinder mit 110 PS verkauft (Ausstattungen TX und GTX). Mit 75.425 Zulassungen avanciert der Fuego auf mehreren großen europäischen Märkten zum meistverkauften Sportcoupé seiner Klasse
1981: Der französische Karossier Heuliez realisiert drei Fuego-Cabriolet-Prototypen in US-Ausstattungsspezifikation. Eine Serienfertigung läuft nicht an, denn das Renault 9/Alliance Convertible übernimmt die Rolle des Frischluftstars für den nordamerikanischen Markt. Der US-Vertrieb für Renault Fuego und Alliance erfolgt über das AMC-Händlernetz. In Großbritannien, damals dem größten europäischen Sportcoupémarkt, belegt der Fuego die Pole Position in seiner Klasse, das auch im Folgejahr
1982: Neu ist der Renault Fuego Turbo D, der auf dem Pariser Salon debütiert und zum Modelljahr 1983 in mehreren Ländern in den Handel kommt, nicht aber in Deutschland. Mit 180 km/h Vmax avanciert der Fuego zum damals schnellsten Diesel-Pkw. Erkennungszeichen ist die markante Hutze auf der Motorhaube. In Argentinien beginnt die Produktion des Fuego für den südamerikanischen Markt. Dort wird auch eine Rennversion mit 176 kW/240 PS starkem 2,0-Liter-Saugmotor für die „TC 2000”-Tourenwagenserie entwickelt. In Australien wird der Fuego erfolgreich bis 1987 angeboten
1983: Nach der Einführung eines Turbo-Benziners beim Renault 18 debütiert im Herbst 1983 der Fuego Turbo mit 132 PS starkem 1,6-Liter-Vierzylinder. Facelift für alle Fuego mit neuem Cockpit-Design. Fertigungsbeginn des Fuego in Venezuela im Werk Mariara (dort bis 1988) und bei Automotores Franco Chilena in Chile
1985: In Nordamerika wird der Fuego aus dem Renault-/AMC-Programm genommen
1986: Dem deutschen Markt vorbehalten bleibt der Fuego GTX mit geregeltem Drei-Wege-Katalysator und 102 PS aus 2,2-Liter-Hubraum. Produktionsende für den Fuego in Europa (zuletzt noch in Spanien) nach 226.583 Einheiten, in Südamerika geht die Fertigung weiter
1990: Letzte Modellpflege für den nun Fuego GTA Max genannten Renault, der nur noch mit 2,2-Liter-Benziner lieferbar ist und ausschließlich in Südamerika vermarktet wird
1992: Auch in Südamerika, zuletzt Argentinien, läuft der Fuego aus
2010: Der Renault Fuego gehört zu den neuen H-Kennzeichen-Kandidaten, allerdings hat sich die Zahl der in Deutschland vorhandenen Fahrzeuge schon auf ein dreistelliges Niveau reduziert
2020: Der 40. Jahrestag des Renault Fuego wird von Renault Deutschland und den Renault-Clubs mit verschiedenen Aktionen gewürdigt. Geplant sind auch Auftritte bei Klassiker-Shows, sofern diese nicht durch die Corona-Krise abgesagt werden. Die aktuellen sportlichen Typen im Renault-Programm zeigen sich als fünftürige Mégane R.S. Daneben hat Renault die Marke Alpine revitalisiert
Produktionszahlen
Insgesamt wurden von 1980 bis 1992 exakt 265.257 Renault Fuego produziert, davon 75.425 Einheiten im Jahr 1980, 55.875 Einheiten im Jahr 1981, 51.044 Einheiten 1982, 37.725 Einheiten 1983, 24.926 Einheiten 1984, 8.168 Einheiten 1985, 3.359 Einheiten 1986, 2.843 Einheiten 1987, 2.193 Einheiten 1988, 1.423 Einheiten 1989, 687 Einheiten 1990, 639 Einheiten 1991 und 950 Einheiten 1992.
Wichtige Motorisierungen Renault Fuego:
Ab 1980 mit 1,4-Liter-Vierzylinder-Benziner (47 kW/64 PS), Vmax 158 km/h
Ab 1980 mit 1,65-Liter-Vierzylinder-Benziner (71 kW/96 PS), Vmax 180 km/h
Ab 1980 2,0-Liter-Vierzylinder-Benziner (81 kW/110 PS), Vmax 190 km/h
Ab 1982 mit 2,1-Liter-Vierzylinder-Turbo-Diesel (65 kW/88 PS), Vmax 175-180 km/h
Ab 1983 mit 1,6-Liter-Vierzylinder-Turbo-Benziner (97 kW/132 PS), Vmax 198-200 km/h
Ab 1986 mit 2,2-Liter-Vierzylinder-Benziner mit Katalysator (75 kW/102 PS), Vmax 185 km/h.
Das britische Königshaus bewahrt ihn unfreiwillig vor dem Vergessen: Der 1980 vorgestellte Ford Escort zog durch Frontantrieb und Heckklappe endlich mit dem VW Golf gleich und glänzte als globaler Bestseller. In Erinnerung bleibt er aber vor allem als Lieblingsfahrzeug von Prinzessin Diana und als Kindergarten-Taxi für Harry und William
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