Volkswagen Golf 1 GTI

28.04.2017 - Patrick Broich/SP-X

Kompakt, dank Frontantrieb modern und als GTI auch noch ziemlich schnell – mit diesen Attributen installierte der erste Golf eine neue Kultur des Fahrens. Heute ist das Topmodell des Ur-Golfs eine ziemlich seltene Erscheinung. Und eine teure.

SP-X/Köln. Ein heutiger junger Autofan gähnt nur schläfrig beim Blick auf das Datenblatt: 81 kW steht im Schein des 76er Golf GTI, umgerechnet 110 PS. Der neue Golf VII mit dem Basisdiesel, den Papi zum Achtzehnten spendierte, sattelt noch einmal fünf Pferdchen drauf. Doch der oberflächliche Blick übersieht etwas. Also Taschenrechner raus. Masse durch Leistung, so ermittelt man, wie viel Gewicht jedes einzelne „Pferd“ schleppen muss. Macht bei 780 Kilogramm Leergewicht und 110 PS also 7,1 kg/PS – damit liegt der alte GTI nicht schlecht. Dagegen der brandneue 115 PS-Golf mit 1.376 kg Leermasse – hier muss jedes einzelne PS rund 12 Kilo schleppen.
 

Foto © Volkswagen

Mit diesem Wissen erscheint der über 40 Jahre alte Veteran doch gleich viel cooler. Nun weisen die Mundwinkel also schon vor Fahrtantritt – zumindest leicht – nach oben. Zwei Personen in der ersten Reihe kommen sich nah im ersten Golf, das kann man nicht leugnen. Im Fond will man aus heutiger Perspektive möglichst kurz bis gar nicht ausharren, so ist das bei einem 3,71-Meter-Gefährt, 26 Zentimeter kürzer als ein aktueller Polo. Dabei trifft es den Fondfahrer im damals hochmoderne VW noch gut, denn die Wettbewerber Ford Escort und Opel Kadett (immerhin auch mit über 100 PS starken Sportversionen gewappnet) setzen Mitte der Siebziger noch auf Heckantrieb und müssen ihre Kardanwelle unterbringen. Das kostet Platz.
 
Sei es drum, wir sitzen ja vorn. Und während dem Beifahrer bei der recht steil stehenden Windschutzscheibe nostalgische Gedanken kommen, fällt der Blick des Fahrers unweigerlich auf das Kombiinstrument. Der Drehzahlmesser war hier noch nicht selbstverständlich – solche Dinge vergisst man oft, wenn man sich beim neuen Auto über die fehlende Massagefunktion oder die nicht vorhandene Lenkradheizung beschwert.
 
Ab mit dem dürren Zündschlüssel ins Lenkradschloss und umdrehen. Schwups, da springt der betagte Vierzylinder-Einspritzer an und verharrt knapp unterhalb der Tausend in einem leicht zittrigen Leerlauf. Der „Golfball“ am oberen Ende des Schalthebels liegt gut in der Hand und ist ein Bekannter, den es selbst im aktuellen GTI noch gibt. Nur die Möglichkeiten der Vorwärts-Übersetzungen waren damals auf schlichte vier begrenzt. Das machte den GTI zwar nicht unbedingt spürbar phlegmatischer, aber lauter. Eine Eigenschaft, die den bisweilen flatterig wirkenden Fronttriebler quirliger erscheinen lässt als er ist (10 Sekunden bis 100 km/h laut Werk). Am besten erst nach der Fahrt ins Datenblatt schauen.
 
Denn gefühlt geht der Oldie richtig gut, setzt Gaspedalbefehle prompt um und liefert so etwas wie moderaten Schub. Auch vor Kurven muss man sich mit dem gutmütigen Untersteuerer nicht fürchten. Bevor es Richtung Graben geht, quietschen die für damalige Verhältnisse potenten 175er Pneus lautstark um Hilfe. So richtig präzise rasten die Gänge übrigens nicht, aber nach etwas Übung fliegt der ergonomisch einwandfreie Shifter behände durch die Gassen.
 

Foto © Volkswagen

Und die besagte Übung bekommt man schnell, denn wer den alten Golf dynamisch bewegen will, hat viel zu schalten. Die Übersetzungs-Spreizungen fallen groß aus, also muss man öfter mal in den kleinen Gang, um den munteren Vierzylinder rotieren zu lassen. Drehzahlen verträgt der 1,6er, wenn der Zahnriemen frisch ist und man das Öl warm fährt. Ohne Probleme haben die studentischen Verbrauchtwagen in den Achtzigern und frühen Neunzigern 200.000 oder sogar 250.000 Kilometer abgespult, ehe sie – durchgerostet bis auf die Grundfesten – in die Presse wanderten. Und genau das macht den begehrten Ur-GTI heutzutage so unerschwinglich, es gibt nämlich quasi keine mehr am Markt. Bereits vor zwei Jahren schon waren in Deutschland nur noch 910 der frühen 110 PS-GTI beim Kraftfahrt-Bundesamt gelistet, Tendenz naturgemäß fallend. Von den ersten Serien mit den kleinen Stoßstangen dürften es noch sehr viel weniger sein.
 
Besteht man auf das Urmodell mit den kleinen Blechstoßstangen oder wenigstens den kleinen Rückleuchten und dem alten Tacho samt den zierlich-länglichen Kontrollleuchten, braucht man beides: Geduld und Geld. Wenn von Zeit zu Zeit mal ein früher und vor allem ein originaler GTI in den einschlägigen Internetbörsen auftaucht, kann der fünfstellige Wert schon mal mit einer Zwei beginnen. Eine schnelle Entscheidung ist geboten, denn nach ein paar Tagen ist die Offerte erfahrungsgemäß wieder weg, so das Fahrzeug ehrlich war.
 
Ehrlich, einfach und pur – das ist der Golf GTI auch in einer anderen Hinsicht, nämlich, was seine Fahreigenschaften angeht. Hier besteht der einzige Luxus im ungefilterten Vorwärtskommen sowie einer wohldosierten Portion Fahrdynamik. Auf elektrische Helferlein oder gar Fahrprogramme pfeift dieser Siebziger-Star – gab es nicht, braucht er auch nicht. Der erste Golf I GTI ist längst zum Kultauto geworden inzwischen mit dem Reiz des Exotischen. Ob man die inzwischen hohen Preise bezahlen mag, muss man mit sich und seinem Konto ausmachen. Übrigens: Mit Ersatzteilen hat man bei den Oldtimern aus Wolfsburg dank der hauseigenen Ersatzteil-Schmiede Volkswagen Classic Parts keinerlei Probleme. (Patrick Broich/SP-X)

Foto © Volkswagen

Volkswagen Golf GTI - Chronik:

1974: Debüt des ersten Golf als zweites VW-Modell mit Frontantrieb und Motor vorn
1976: Der GTI krönt die Golf-Baureihe mit 110 PS und Einspritzer
1978: Es gibt das erste leichte Facelift, äußeres Kennzeichen: Kunststoff-Stoßstangen
1980: Major-Facelift, ab jetzt haben die Golf-Modelle große Heckleuchten und neu gestaltete Instrumente. Der GTI bekommt 0,2 Liter mehr Hubraum und zwei PS mehr
1983: Der Golf I (intern: 17) läuft nach neun Jahren aus

Volkswagen Golf GTI (1976 bis 1980) - Technische Daten:

Limousine der unteren Mittelklasse, Länge: 3,71 Meter, Breite: 1,61 Meter, Höhe: 1,41 Meter, Radstand: 2,40 Meter
1,6-l-Vierzylinder-Otto mit Benzineinspritzung, 81 kW/110 PS, maximales Drehmoment: 137 Nm bei 5.000 U/min, Vmax 180 km/h, 0-100 km/h in 10,0 s
Ehemaliger Neupreis (1976):  13.850 DM
 
Heutiger Marktpreis nach Classic Data:
Volkswagen Golf GTI
Note 1:           21.000 Euro
Note 2:           12.800 Euro
Note 4:           7.100 Euro
 
Ersatzteilpreise
Kupplungsscheibe: ca. 200 Euro
Wasserkühler: ca. 200 Euro
Nockenwelle: ca. 110 Euro

Ausgerechnet von seiner Kölner Filiale musste sich Ford-Amerika 1957 zeigen lassen, wie modische Straßenkreuzer konstruiert werden.

Kategorie: Allgemein , eingestellt am 24.04.2017

Ein viertüriger Alfa mit mehr Vmax als ein Ferrari-Formel-1-Renner? Der Alfa 164 machte es in Monza möglich und das mit reinrassiger F-1-Technik.

Kategorie: Allgemein , eingestellt am 19.04.2017

Deutschland ist ein Oldtimer-Land. Nach einer Statistik des Verbandes der Automobilindustrie waren am 1.1.2017 so viele Fahrzeuge mit H-Kennzeichen unterwegs wie noch nie. Doch welcher ist der beliebteste Klassiker?

Kategorie: News , eingestellt am 10.04.2017

Coupés sind die Haute Couture des Automobils, wie gerade das neue Mercedes E-Klasse-Coupé demonstriert. Gleich zwei erfolgreiche Vorgänger dieses eleganten Zweitürers ohne B-Säule feiern jetzt Jubiläum.

Kategorie: Allgemein , eingestellt am 10.04.2017

Egal, ob An- oder Verkauf, Frühjahrsputz oder Reinigung von Bauteilen: Oldtimer bedürfen einer intensiven Pflege und halten so manche Überraschungen bereit. Wir haben die Reinigung mit Trockeneis unter die Lupe genommen.

Kategorie: Ratgeber , eingestellt am 10.03.2017

Der VW Käfer ist ein echter Klassiker, der auch immer die Blicke auf sich zieht. Gerade die legendäre Haltbarkeit und Pflegeleichtigkeit lässt viele überlegen, den Käfer einfach als Youngtimer (oder sogar Oldtimer) im Alltag zu fahren.

Kategorie: Ratgeber , eingestellt am 09.03.2017

Die Scheiben beschlagen in der kalten Jahreszeit extrem oft. Ein klares Zeichen, dass das Auto von Feuchtigkeit befallen ist - diese kann schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Dabei gelangt das Wasser sehr oft unbemerkt ins Auto.

Kategorie: Allgemein , eingestellt am 09.03.2017

Unsere Redakteure haben sich umgehört und mit Liebhabern von Oldtimern gesprochen, die E10 Kraftstoff tanken. Zwischenfälle gab es mit dem Kraftstoff noch nicht.

Kategorie: Ratgeber , eingestellt am 09.03.2017

Günstige Versicherungsbeiträge, weniger Steuern und freie Fahrt in den Umweltzonen deutscher Großstädte - für Oldtimer-Fahrer kann all das problemlos möglich werden.

Kategorie: Ratgeber , eingestellt am 18.02.2017

Viele Menschen lieben ältere Autos, und nicht jeder kann sich gleich den teuren Porsche aus den fünfziger Jahren leisten. Sogenannte Youngtimer aber können einen preisgünstigen Einstieg in die Oldtimerwelt ermöglichen.

Kategorie: Ratgeber , eingestellt am 14.02.2017

Seit der Jahrtausendwende erleben Fahrzeuge der Siebziger Jahre, einen regelrechten Boom. Aber nicht alle. Die meisten Autos werden einfach nur alt und landen irgendwann auf dem Schrottplatz. Einige wenige Exemplare haben das Zeug zum Kultauto.

Kategorie: Allgemein , eingestellt am 13.02.2017