SP-X/Köln. Steuervorteile, Sonderrechte in Umweltzonen und viel Applaus für die Klassiker bei Oldtimerrallyes oder Concours d‘Elegance: Fahrzeuge mit dem magischen amtlichen H-Kennzeichen erfreuen sich immer größerer Beliebtheit bei Autoliebhabern. Rund 450.000 Pkw tragen das H-Signet für rollendes historisches Kulturgut bereits und auch 2019 werden die Zulassungsbehörden einen neuen Höchststand bei Anträgen für historische Autos verzeichnen, die mindestens 30 Jahre alt sind und sich im technisch einwandfreien, originalen Zustand befinden. War doch der Autojahrgang 1989 von Anfang an nachhaltiger gegen vorzeitige Verschrottung geschützt als viele frühere Veteranen.
Langzeit-Rostschutz, robuste Technik und die seit 1. Januar 1989 in der Bundesrepublik vorgeschriebene Katalysatortechnik für Benziner ermöglichten auch Volumenmodellen ohne Fangemeinde das Überleben. Allerdings hängt aktuell ein Damoklesschwert über der Szene, denn laut einem Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts sind sogar Fahrverbote für alte Benziner der Klassen Euro 1 (ab 1993) und Euro 2 (ab 1997) zulässig. Vorerst jedoch werden viele Autos aus dem Jahr, in dem die Mauer der innerdeutschen Teilung stürzte, von den Vorteilen der H-Zulassung profitieren. Gleich ob vergessene Helden wie die damals erneuerten Fiat Uno und Ford Scorpio oder Frischluft-Superstars wie Mercedes SL (R129) und Mazda MX-5.
Der politische Wind of Change fegte vor 30 Jahren mit Sturmgewalt durch die Autolandschaft. Dort wirbelte er billige Ost-Modelle wie den tschechischen Skoda Favorit (Werbeslogan „Zum Küssen preiswert“), den sowjetischen Aleko alias Moskwitsch 2141 („Die Kraft des Ostens“) und auch den Wartburg 1.3 mit VW-Viertaktmotor in den Westen Deutschlands während er zugleich Opel den Weg frei machte für die Anfang 1990 startende Vectra-Fertigung in Eisenach. VW leistete derweil Pionierarbeit mit der Produktion des Polo im sächsischen Zwickau und Renault installierte für neue Modelle wie den R19 das erste flächendeckende Vertriebsnetz einer Westmarke in der DDR.
Offen sein für Neues, lautete die Devise des Jahres 1989 und genau das nahm sich die Open-Air-Fraktion besonders zu Herzen. Nicht nur, dass der Mazda MX-5 den klassischen Roadster revitalisierte und der Mercedes SL (R 129) mit automatisch ausfahrendem Überrollbügel beeindruckte, auch der von vielen totgeglaubte Wankelmotor wagte sich erstmals in ein Großseriencabrio, den Mazda RX-7. Dieser Kreiskolbenläufer konkurrierte mit frisch gemachten Sonnenkönigen wie dem ultrakostspieligen Rolls-Royce Corniche III und dem ewig jungen Alfa Romeo Spider der Serie IV sowie dem Porsche 944 S2 Cabriolet. Aber auch der exotische Ford Capri aus „Down Under“, das Yugo Cabrio als billigster Luftikus der Welt, der Citroen AX Cabrio von EBS und Barral sowie die Bonsai-Sonnenbänke Suzuki Cappuccino und Suzuki Swift Cabriolet setzten sich in Szene. Trotzdem wurden die etablierten Viersitzer-Verdeckträger a lá VW Golf, Ford Escort, Opel Kadett, BMW 3er (E30) und Saab 900 nicht in den Schatten gestellt, denn auch deren Verkaufszahlen wuchsen in den blauen Himmel der Hitzewelle im Sommer vor 30 Jahren.
Natürlich war 1989 nicht alles eitel Sonnenschein. Davon berichteten Schlagzeilen wie „Das darf nicht wahr sein: Bei Frost versagt der Kat!“ oder „Dunkle Rußwolken: - Sind Diesel wirklich sauber?“. Ach so. War also damals alles schon wie heute? Das dann doch nicht, denn Elektroautos rollten nur im Versuch und das Schlagwort Downsizing war noch nicht existent. Stattdessen galt das Credo: Hubraum ist durch nichts zu ersetzen, außer durch noch mehr Hubraum und Zylinder. Das neue BMW 850i Coupé mit 220 kW/300 PS starker V12-Maschine entthronte den Mercedes 560 SEC, dessen 5,6-Liter-V8 nur 205 kW/279 PS freisetzte, dann aber musste sich der BMW vom gleichfalls neuen, durch einen 5,0-Liter-V8 befeuerten und 275 km/h schnellen Porsche 928 GT geschlagen geben. Als zum Jahresende mit Lamborghini-Unterstützung die ersten Vorserienfahrzeuge der Dodge Viper mit 8,0-Liter-V10-Maschine getestet wurden, sahen nicht wenige Fachleute den Höhepunkt des Wettrüstens erreicht. Irrtum. Die damals von den Medien angekündigte Mercedes S-Klasse mit monumentalem 16-Zylinder-Motor blieb zwar Wunschdenken, nicht aber der monströse italienische Cizeta-Moroder V16T, dessen 16-Zylinder mit 6,0 Litern Hubraum bis zum Debüt des Bugatti Veyron die Maßstäbe setzte.
Das beste Auto der Welt kam übrigens seit Januar 1989 nicht mehr aus Süddeutschland oder Großbritannien, sondern aus Japan. Jedenfalls waren sowohl Lexus LS 400 als auch Infiniti Q45 unter diesem Anspruch entwickelt worden und in Nordamerika gelangen den eigens gegründeten Nobeldivisionen von Toyota und Nissan mit dem Luxusliner-Duo auf Anhieb Achtungserfolge. Gleiches galt in Europa für das vierblättrige Sportcoupé-Kleeblatt aus Nissan 200 SX Turbo, Toyota Celica Turbo und den Sechszylindern Nissan 300 ZX Turbo sowie Honda NSX. Während die wilden Sechsender-Samurai viele Porsche und sogar die frischen Ferrari 348 tb sowie Maserati Shamal vor sich her scheuchten, zielten 200 SX und Celica gegen VW Corrado und Opel Calibra, der mit einem Luftwiderstandsbeiwert von Cw 0,26 als „Aerodynamik-Weltmeister“ gefeiert wurde. Mit den Genen eines Weltmeisters geboren wurde 1989 außerdem ein Mittelklassemodell, das seine technischen Talente geschickt unter dem betont biederen Blechkleid verbarg. Der Subaru Legacy vereinte starke Boxermotoren und durchsetzungsfähigen Vierradantrieb, eine Kombination, die dem Allradler bis heute Platz eins als meistverkaufter Pkw aller Zeiten sichert.
„Die Japaner überrollen uns und jetzt kommen auch noch die Koreaner“, warnten erste Fachblätter. Klar, das war übertrieben, zumal die koreanischen Giganten Hyundai, Kia und Daewoo den europäischen Markt erst antesteten. Aber die Kreativität aller Asiaten in der Konstruktion andersartiger Fahrzeugkonzepte war beeindruckend und spornte die europäischen Hersteller an, die Autowelt selbst neu zu vermessen. Das Ergebnis? Extravagante Designikonen wie der Citroen XM, rasante Businessjets nach Art des Opel Lotus Omega, schnelle Selbstzünder-Sparer in Form des ersten Audi 100 TDI, Understatement im präsidialen Fuhrpark durch den Peugeot 605 und kleine Dauerbrenner wie der Ford Fiesta. Ein zuverlässiger Cityflitzer, den es wenige Jahre später sogar wahlweise mit Mazda-Logo gab. „Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen“, zitierte damals ein Journalist aus Johann Wolfgang von Goethes West-östlichem Divan. Was 1989 mit dem Ende des Ostblocks begonnen hatte, gab Raum für ganz neues globales Denken. Die Asiaten begannen in Europa Autos zu bauen, die Deutschen eröffneten Werke in Nordamerika und Fernost und die Franzosen engagierten sich in Rumänien bei Dacia und in Russland bei Lada. Aber das sind schon neue Geschichten. Uralt war dagegen bereits 1989 das Auto jenes Jahres: der Trabant 601. Mit seinem Rängtängtäng-Zweitakter-Sound avancierte er zum Symbol der Zeitenwende.